Fr  De  En  

Forschung - aktuelle Projekte

 

Recycling von Photovoltaikanlagen

Recycling von Photovoltaikanlagen

Zusammenfassung

Das Recycling von Photovoltaikanlagen geschieht über gut etablierte Standardprozesse, die zudem einfach skalierbar sind. Damit sind auch keine grundsätzlichen Schwierigkeiten zu erwarten im Zusammenhang mit dem in den nächsten Jahrzehnten absehbaren sehr starken Anstieg der heute zu rezyklierenden Stoffmenge aus PV-Anlagen. Die Entsorgung und das Recycling von PV-Anlagen werden in der Schweiz über eine vorgezogene Entsorgungs- und Recyclinggebühr finanziert. Die Rücknahme und Entsorgung von PV-Anlagen sind sowohl auf nationaler wie auch internationaler Ebene weitgehend staatlich reguliert. Dadurch sind auch die einschlägigen Informationen zu den Vorschriften, den gängigen Arbeitsabläufen und den Märkten grösstenteils frei und online zugänglich.


Gesetzliche Grundlagen

Auf europäischer Ebene bietet beispielsweise der europäische Verband für das Recycling von Solarpanels (PV Cycle) umfassende Informationen an [1].

In der Schweiz ist die Rücknahme und das Recycling von PV-Anlagen in der Verordnung über die Rückgabe, die Rücknahme und die Entsorgung elektrischer und elektronischer Geräte vom 14. Januar 1998 (VREG; SR 814.620; zurzeit in Revision) geregelt. Generell bestehen bezüglich der PV-Anlagen eine Rückgabepflicht seitens des Käufers und eine Rücknahmepflicht seitens des Verkäufers. Durch eine vorgezogene Entsorgungs- und Recyclinggebühr von derzeit CHF 40 pro Tonne werden heute die Mittel für Entsorgung, Transport und Recycling geäufnet [2].

Der schweizerische Fachverband für Sonnenenergie (Swissolar) und SENS eRecycling haben per 01.01.2014 einen Kooperationsvertrag unterzeichnet, der die relevanten Aspekte in Zusammenhang mit der Rücknahme und der Entsorgung von PV-Anlagen in der Schweiz regelt [3]. Die Stiftung SENS (Sustainability Expertise Network Solution) ist eine unabhängige, neutrale und nicht gewinnorientierte, gemeinnützige Stiftung und tritt gegen aussen mit der Marke SENS eRecycling auf [4]. SENS eRecycling organisiert für den Handel und den Konsumenten eine durch strenge Kontrollen gesicherte, umweltverträgliche Rücknahme- und Recyclinglösung von PV-Modulen inkl. Zubehör.

 


Recycling Methoden

PV-Module sind im Wesentlichen wie Autoscheiben aufgebaut (Solarzellen eingebettet in Schutzfolien und Glasscheiben, die in einem Aluminiumrahmen gehalten werden), und sie werden daher im Flachglas-Recycling verarbeitet. Gängige PV-Module bestehen zu fast 90% aus Glas, welches beim Recycling in Schreddern zerkleinert wird. Nach dem Schreddern gehen die Glasscherben entweder wieder in die Flachglasherstellung oder sie werden für die Produktion von qualitativ weniger anspruchsvollen Produkten (Dämmwolle usw.) verwendet. Die schadstofffreien Silizium-Wafer werden nicht separat recycelt, sondern zusammen mit dem Glas der PV-Module zerkleinert. Eine chemische Aufbereitung der Silizium-Wafer im industriellen Massstab hat sich nicht durchgesetzt [5]. Silizium ist mit 26% das zweithäufigste Element der Erdkruste und es ist Grundbestandteil für Glas, Porzellan, Silikon, Mikroelektronik. Die kristallinen PV-Module (ca. 90% Marktanteil; [6]) sind immer schadstofffrei. Dünnfilm PVModule können dagegen Schadstoffe beinhalten. Solche Schadstoffe sind beispielsweise CdTe, CIS, CIGS. In der Schweiz gab es bis jetzt nur kleinste Rücknahmemengen an schadstoffhaltigen PV-Modulen. Die Rücknahme-Prozesse sind vorbereitet. Der Recycling-Prozess für schadstoffhaltige PV-Module in der Schweiz ist noch nicht aufgesetzt. Ein entsprechendes Studienprojekt ist jedoch gestartet [5].

Die verschiedenen Metalle eines PV-Moduls werden für die Weiterverarbeitung in Metallhütten aufbereitet. Die in einem PV-Modul verwendeten Kunststoffe sind i.d.R. minderwertig und werden entweder in Kehricht-Verbrennungs-Anlagen oder in der Zementindustrie energetisch verwertet.

Neben den PV-Modulen gilt es bei der Entsorgung einer PV-Anlage auch weitere Anlagekomponenten zu rezyklieren, wie Wechselrichter, Kupfer-Kabel, Montagekonstruktionen, Abdichtungen. Die Rücknahme und das Recycling dieser PV-Komponenten werden ebenfalls über SENS eRecycling organisiert.

Vermehrt werden mit Photovoltaikanlagen auch PV-Speichersysteme verbaut, welche es nach Ablauf ihrer Lebensdauer ebenfalls zu rezyklieren gilt. Das Recycling von Batterien ist in der Schweiz im Anhang 2.15 (Batterieanhang) der Verordnung zur Reduktion von Risiken beim Umgang mit bestimmten besonders gefährlichen Stoffen, Zubereitungen und Gegenständen (Chemikalien-Risikoreduktions-Verordnung, ChemRRV; SR 814.81) geregelt. Die BATREC Industrie AG in Wimmis ist der einzige Anbieter in der Schweiz für das Batterie-Recycling [7]. Wie bei den PV-Anlagen wird bei den Batterien das Recycling über eine vorgezogene Entsorgungsgebühr (VEG) finanziert. Aufgrund des komplexen Batterie-Recycling-Prozesses ist allerdings die VEG bei Lithium-Ionenbasierten PV-Speichersystemen auch wesentlich teurer (rund 3 CHF/kg; [8]) als bei den PV-Anlagen.

 

 

Stoffflüsse

Im Jahr 2017 wurden in der Schweiz 337 Tonnen PV-Module rezykliert. Diese Menge setzt sich zusammen aus PV-Modulen (vorwiegend aus den 80er- und 90er-Jahren), die ihr Lebensende erreicht haben, sowie aus Garantie-Rückrufaktionen und Brandfällen [9].

Aufgrund des aktuellen jährlichen Zubaus an PV-Leistung in der Schweiz von 240 MWp (2017) und einer angenommen Lebensdauer der PV-Module von 33 Jahren [10] kann unter einer Ceteris-Paribus-Annahme die im Jahr 2050 zu rezyklierende Menge an PV-Modulen abgeschätzt werden. Diese dürfte rund 1000-mal höher liegen als die oben genannten 337 Tonnen im Jahr 2017. Aufgrund der Tatsache, dass beim Recycling von PV-Anlagen gut skalierbare Standardprozesse eingesetzt werden, sind die zu bewältigenden Stoffflüsse nicht beunruhigend, umso weniger als solche oder sogar noch grössere Materialmengen in der Schweiz in anderen Gebieten (z.B. im Automobilsektor) bewältigt werden. Auch die vorgezogene Entsorgungs- und Recyclinggebühr von derzeit 40 CHF/Tonne muss sich inflationsbereinigt mit steigenden Stoffmengen nicht notwendigerweise wesentlich ändern, immer ausgenommen natürlich bei starken Marktveränderungen ausgelöst durch disruptiven Technologien, Gesetzgebungen etc.

 

 

Energieflüsse

Naturgemäss besteht ein enger Zusammenhang zwischen den Stoff- und Energieflüssen sowie letztlich auch den Werteflüssen. Auch die determinierenden Einflussfaktoren (im Wesentlichen Leistungsgewicht (kg/kWp) sowie Lebensdauer der PV-Module) sind bei den Energieflüssen die gleichen wie bei den Stoffflüssen.

Eine oft verwendete charakteristische energetische Kennzahl bei erneuerbaren Energieerzeugungsanlagen stellt der sogenannte Erntefaktor dar, der ausdrückt wievielmal mehr die Anlage während ihrer ganzen Betriebsdauer Energie produziert als für ihre Herstellung, Installation, Wartung und Demontage erforderlich ist. Typische Erntefaktoren für eine Photovoltaikanlage in der Schweiz liegen im Bereich von 10, d.h. die Anlage produziert während ihrer ganzen Betriebsdauer rund zehnmal mehr Strom als Energie, die während ihres Lebenszyklusses für ihre Herstellung, Installation, Wartung und Demontage aufgewendet wurde. Mit einer weiteren Senkung des Leistungsgewichts von PV-Anlagen kann davon ausgegangen werden, dass die typischen Erntefaktoren für PV-Anlagen in Zukunft noch wesentlich gesteigert werden können.

Es sei darauf hingewiesen, dass die Berechnung des Erntefaktors mit dem Standardverfahren nach ISO 14044 [11] leider ziemlich zeitaufwendig sein kann, was beispielsweise aus den Berechnungen von Frischknecht et al. erahnt werden kann, wo eine Ökobilanzierung für das Sonnenkraftwerk Mont-Soleil durchgeführt wurde [12]. Die Schwierigkeiten rühren primär von den vielen Fragen zur Systemabgrenzung her, die sich bei der Berechnung des primärenergetisch bewerteten Aufwands stellen, der im Zusammenhang mit der Herstellung, Nutzung und Beseitigung der untersuchten Anlage entsteht [13]. Leider werden in der Praxis häufig diese Systemabgrenzungen nicht seriös durchgeführt, entweder aus Bequemlichkeit oder ‒ noch schlimmer ‒ mit dem Hintergedanken, das Resultat in eine bestimmte Richtung zu lenken. Resultate, bei denen Zweifel über die Qualität der zugrundeliegenden Berechnungen bestehen, sollten deshalb vorsichtshalber mit entsprechenden Daten aus anerkannten Quellen (beispielsweise [14]) verglichen werden.

 

 

Quellen

 

[1] www.pvcycle.org

 

[2] SENS eRecycling, «Tarif- und Geräteliste gültig ab 01. Januar 2018».

 

[3] Swissolar und SENS eRecycling, «Recycling von Solarmodulen geregelt», Medienmitteilung vom 22. Oktober 2013.

 

[4] www.erecycling.ch

 

[5] R. Eppenberger (SENS eRecycling), «PV-Module, Rücknahme und Recycling», Energie-Apéro Aargau, 2016.

 

[6] N. Armaroli, V. Balzani, «Solar Electricity and Solar Fuels: Status and Perspectives in the Context of the Energy Transition», Chemistry – A European Journal 22, Issue 1, (2016).

 

[7] www.batrec.ch

 

[8] Bundesamt für Umwelt (BAFU), «Entsorgungsgebühr wird ab 2012 für alle Batterien im Voraus erhoben», Medienmitteilung vom 07. Dezember 2011.

 

[9] U. Muntwyler, E. Schüpbach, E. Eppenberger, «Nachhaltigkeit und Materialströme von Photovoltaik-Modulen in der Schweiz», 20. Status-Seminar «Forschen für den Bau im Kontext von Energie und Umwelt», ETH Zürich, 6./7. September 2018.

 

[10] T. Hostettler (im Auftrag des Bundesamtes für Energie und von Swissolar), «Markterhebung Sonnenenergie 2017 – Teilstatistik der Schweizerischen Statistik der erneuerbaren Energien», Juli 2018.

 

[11] ISO-Norm 14044, «Umweltmanagement – Ökobilanz – Anforderungen und Anleitungen», 2006.

 

[12] R. Frischknecht, et al., «Total pollution including "grey" pollution: life cycle analysis for the assessment of energy options», World Energy Council, 15th Congress, 20. – 25. September 1992.

 

[13] M. Roš, «Unsicherheit und Fuzziness in ökologischen Bewertungen, Orientierungen zu einer robusten Praxis der Oekobilanzierung», Dissertation Nr. 12726, ETH Zürich, 1998.

 

[14] C. Bauer, S. Hirschberg (eds.), Y. Bäuerle, S. Biollaz, A. Calbry-Muzyka, B. Cox, T. Heck, M. Lehnert, A. Meier, H.-M. Prasser, W. Schenler, K. Treyer, F. Vogel, H.C. Wieckert, X. Zhang, M. Zimmermann, V. Burg, G. Bowman, M. Erni, M. Saar, M.Q. Tran,  «Potentials, costs and environmental assessment of electricity generation technologies.» PSI, WSL, ETHZ, EPFL. Paul Scherrer Institut, Villigen PSI, Switzerland, November 2017.

 
 
 
2024 societe-mont-soleil.ch | Impressum | Haftungsausschluss | by WebMultiMedia